Shorts Louis {La Maison Victor}

Ich hatte schon die ganze Zeit Lust mal eine Hose für meinen Schatz zu nähen (hab ich mir deutlich einfacher vorgestellt, wie eine Hose für Frauen zu nähen, haben ja nicht so viel Kurven, die Herren ;-) ) und war dementsprechend happy, als in der La Maison Victor von Mai/Juni ein sehr ansprechendes Schnittmuster namens Louis drin war. Mir hat der Schnitt wirklich sehr gut gefallen, mit den angeschnittenen Taschen und dem umgeschlagenen Saum (hier ein paar Beispiel auf Instagram). Einzig die hinteren Taschen waren nicht nach unserem Geschmack (ja, der Schatz wurde natürlich mit in die Planung einbezogen), deswegen habe ich sie etwas abgeändert, aber dazu später mehr.

Was dann natürlich noch gefehlt hat, war der passende Hosenstoff. Ich hab bei jedem Besuch im Stoffladen Ausschau gehalten, aber irgendwie war nie das richtige dabei und ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben und wollte die Hose auf nächstes Jahr verschieben. Aber tatsächlich, bei einem Schnell-Schnell-Einkauf bei Karstadt (ich hab eigentlich nur einen Reißverschluss gebraucht), hab ich in einem gut versteckten Eck (unter einem dieser Tische, wo die Stoffe so schrecklich unübersichtlich gestapelt sind) ein ganzes Nest von leicht dehnbaren Hosenstoffen in unterschiedlichen Farben mit ca 20% Stretch gefunden (ArtNr: 004 2246117129427). Und uns ist direkt dieses mega geniale Koralle aufgefallen. Zum Glück war der Schatz überhaupt dabei, sonst hätte ich mich vielleicht nicht getraut ihn zu kaufen. Aber er war gleich genauso begeistert, denn er trägt zum Glück sehr gerne Farbe (siehe hier oder hier). Und wirklich verwunderlich: Der Stoff hat nur 6€/m gekostet. Das hat mich etwas skeptisch gemacht, aber ich kann sagen, er lässt sich perfekt vernähen, ist nicht super dick (sieht man daran, dass sich die hinteren Hosentaschen evtl ein bisschen durch drücken) und trägt sich wohl sehr angenehm, grade weil er nicht so dick ist.




Ich hab Größe L laut Tabelle genäht und nicht sehr viel an der Passform ändern müssen. Die Beine habe ich an der Außenbeinnaht etwas schmaler genäht, circa ab unterhalb des Tascheneingriffs. Damit wollte ich ein etwas schlankeres Bein erzielen, die Passform war mir etwas zu Segelhosenmäßig, als das Bein noch weiter war. 



Beim nächsten Mal würde ich wohl noch eine Hohlkreuzanpassung machen, da war etwas viel Stoff
in der hinteren Mitte übrig. Aber zum Glück sieht es mit Gürtel eh besser aus und sitzt dann auch gut.

Ich hab zuerst die Beine noch 3cm verlängert um auf Nummer sicher zu gehen, die hab ich ihm Nachhinein dann aber wieder weggenommen. Die Länge passte auch so gut.


Zur Anleitung in der La Maison Victor kann ich nicht so viel sagen, denn ich hab sie so gut wie ignoriert. Da ich ja schon einige Hosen genäht habe (meine 10 Tipps zum Jeans nähen), weiß ich wie die allgemeinen Schritte gehen, bzw wo ich nachschauen muss, wenn ich nicht mehr weiter weiß - zum Beispiel in der Anleitung zur Ginger Jeans.

Die erste Änderung, die ich vorgenommen habe, die man aber von außen gar nicht sieht, ist das einbauen eines sogenannten Pocket Stays. Dabei wird der Taschenbeutel mit dem Reißverschluss Bereich verbunden. Das hat zur Folge, dass die Taschenbeutel fixiert sind, und nicht so sehr hin und her rutschen können und sich der Taschenbeutel auch nicht durchdrückt. Bei Frauen ist da auch der Effekt, dass der Bauch etwas flacher erscheint, ohne eingedrückt zu werden. Dafür hab ich einfach das Taschenschnittteil verbreitert anhand vom Hosenvorderbeinschnittteil und zweimal zugeschnitten, einmal aus Futterstoff und einmal aus Oberstoff.


Ich hab es noch ein bisschen abgerundet, damit die Taschenbeutel nicht zu groß werden. Hier sollte man darauf achten, dass man, wenn man nicht möchte, dass der Futterstoff sichtbar ist, das kleinere Taschenbeutelteil nicht komplett aus Futterstoff zuschneidet. Der Schatzi war aber ganz begeistert vom Futterstoff und hat sich nicht daran gestört, dass der Stoff beim Aufklaffen der Taschen etwas hervorguckt.


Dann bin ich etwas vom Zuschnittplan abgewichen und hab Schnittteil E (den Reissverschlussbeleg) direkt ans Hosenvorderbein angeklebt und in einem Rutsch zugeschnitten, damit ich die Anleitung der Ginger weiter befolgen konnte. Da hab ich nur leider nicht weit genug in die "Zukunft" geschaut, bzw die Anleitung in der LMV nicht richtig verstanden und hab das Schnittteil E nicht bis nach oben an den Bund verlängert. Deswegen musste ich beim Bund annähen etwas cheaten. Der Bund wird nämlich nicht als alleinstehender Bund genäht, sondern als Beleg.
 
Und den Bund wollte ich wie in der LMV Anleitung nähen. Fürs nächste Mal merke ich mir also, dass ich Schnittteil E nach dem Ankleben bis nach oben an die Oberkante des Bundes verlängern muss und den Beleg ebenfalls um die Breite von Schnitteil E verlängern muss. Die Verarbeitung innen am Hosenschlitz ist also nicht ganz so ordentlich geworden, aber sieht man zum Glück ja nicht von außen.


Bei den hinteren Hosentaschen hat uns nicht ganz so gut gefallen, dass die so am Hintern auftragen und etwas zu sportlich aussehen, wir wollten lieber klassische Chino-Taschen. Ich hab also alle gekauften Hosen des Schatzes studiert und wir haben uns die Varianten, die uns am besten gefallen, rausgesucht. Eine Hose hatte auf der linken Seite eine Paspeltasche mit Klappe, und auf der anderen Seite eine klassische zweiseitige Paspeltasche, das hat uns am besten gefallen.


Außerdem ist mir bei den Untersuchungen aufgefallen, dass die Taschenbeutel alle nach oben hin bis unter den Bund verlängert waren, was wahrscheinlich mehr Stabilität gibt. Deswegen hab ich das genauso gemacht. Es gibt ein wunderbares Burdavideo (wahrscheinlich aus den 80ern) wo eine Paspeltasche mit Klappe genäht wird und diese Anleitung hab ich genau befolgt, hab aber die Oberseite des Taschenbeutels verlängert und eben noch mit in den Bund eingenäht.


Allerdings fehlt in dem Video leider der Schritt wo die Tasche außen abgesteppt wird, was dazu geführt hat, dass ich das etwas komisch gemacht habe. Bevor man den Taschenbeutel annäht, kann man nämlich noch nicht absteppen, denn sonst kann man den Beutel ja nicht annähen. Und danach muss man richtig aufpassen, dass man sich die Tasche nicht zunäht. Deswegen hab ichs dann in 4 Schritten gemacht. Erst die lange Kante oben, dann die lange Kante unten und dann die beiden kurzen Seiten mit einer Raupe. Das hab ich mir auch bei den gekauften Hosen abgeguckt und sorgt wahrscheinlich dafür, dass die Ecken der Hosentaschen nicht ausreißen können.


Insgesamt hat es wahnsinnig Spaß gemacht mich bei den Hosentaschen ein bisschen austoben zu können. Das ordentliche konzentrierte Nähen gefällt mir super gut. (Auch wenn es natürlich nicht ganz ohne Missgeschicke abgelaufen ist: die rechte Paspeltasche hatte ich schon aufgeschnitten, als ich gemerkt hab, dass ich die Paspelstreifen mit der offenen Kante zur Mitte hin aufgenäht hatte. Das hat dann wirklich vorsichtiges Auftrennen und neu arbeiten erfordert...)


Die Platzierung der Taschen hab ich auch etwas anders gemacht, als im Schnittmuster eingezeichet. Die Neigung habe ich gleich gelassen, aber hab sie etwa 3 cm nach oben verschoben. Das haben wir auch mit einer gekauften Hose verglichen, sodass die jetzt wirklich an der genau richtigen Stelle sitzen. Allerdings war die Platzierung dann direkt über dem Abnäher am hinteren Hosenbein. Bei der Tasche mit Klappe war das nicht so schlimm, da verdeckt die Tasche die Abnäherspitze. Aber bei der klassischen Paspeltasche war noch so anderthalb Zentimeter Abnäher unten übrig, was nicht so schön aussah. Zum Glück wollte ich eh noch Knöpfe annähen, sodass die Abnäherspitze jetzt auch auf der rechten Seite verdeckt ist.


Allerdings war es kein einfaches Unterfangen die Knopflöcher zu nähen. Da der Knopflochfuß bei der Taschenklappe auf der Paspel hinten auflag, hat es leider so gut wie gar nicht funktioniert. Ich hatte eine Probepaspeltasche mit Klappe genäht an der ich dann geübt habe, bis es einigermaßen geklappt hat.
Das Knopfloch direkt auf die Abnäherspitze zu nähen hat überraschend gut funktioniert.


Ich hatte ehrlich gesagt keine große Hoffnung passende Knöpfe in dieser verrückten Farbe zu finden und hab mir schon überlegt, welche Kontrastfarbe auch gut dazu passen könnte (beim Reißverschluss musste ich ja auch schon auf dunkelblau ausweichen), aber tatsächlich gab es bei meinem Lieblingskurzwarenladen in Freiburg (Bärbels Nähstube) Knöpfe in der passenden Farbe, passendem Style und passender Größe. Verrückt, oder?

Bei den vorderen angeschnittenen Taschen hab ich noch jeweils eine Raupe senkrecht zur Seitennaht gesetzt (siehe 3. Bild von oben), sodas auch die Tascheneingriffe etwas stabiler sind – auch das bei Kaufhosen abgeguckt, wer hätte es gedacht.


Die Original-Gürtelschlaufen sind deutlich breiter, was auch irgendwie cool aussieht, aber hier wollte ich doch gerne den Look etwas schlichter halten und hab deswegen etwas schmalere Schlaufen nach der Ginger-Anleitung gemacht.


 Statt einen normalen Saum wie in der Anleitung vorgeben zu nähen hab ich die Beine unten nur versäubert und dann zweimal umgeschlagen und an den Beinnähten von Hand festgenäht. Gut gebügelt hält der Umschlag ohne Probleme.

Abgesteppt hab ich übrigens wieder mit meinem Lieblingsgarn, dem Knopflochgarn von Gütermann (hellgrüne Rolle). Das gibts in so vielen Farben, sogar koralle. Zuerst wollte ich die Overlock in dunkelblau einfädeln und so einen Kontrast innen erzeugen, aber dann bin ich meine Garnrollen durch gegangen und hab festgestellt, dass ich 4 unterschiedliche, aber trotzdem gut passende rote 100m Garnrollen hatte. Da hab ich mich dann doch für Ton in Ton entschieden.


So, jetzt hab ich euch wirklich alles über die Entstehung dieser Hose erzählt, das einige was noch bleibt, ist das Urteil. Das muss natürlich der Schatz fällen, meines ist ein bisschen voreingenommen: Ich find die Hose natürlich genial, er sieht einfach super drin aus, finde ich.


Letzte Woche habe ich die Hose fertig gemacht, und er hat sie schon mehrere Male angehabt und ist ganz begeistert wie angenehm sie sich trägt. Sowohl von der Passform als auch vom Stoff. Das Schnittmuster wird auf jeden Fall gemerkt und nächstes Jahr sehr gerne nochmal genäht. Den Stoff gibt’s ja zum Glück in noch mehr Farben!

Was meine Überlegung vom Anfang angeht: ich finde Herrenhosen sind tatsächlich einfacher zu nähen, was die Passform angeht. Wer sich also schon immer mal überlegt hat eine Hose zu nähen, aber vor dem Anpassen zu viel Respekt hat, dem kann ich eine Herrenshorts definitiv empfehlen. Man sollte auch hier zwischendrin mal heften und anprobieren (lassen) um sicherzugehen, dass die Passform stimmt, aber ich wage mal zu behaupten, dass es nicht so schwierig ist, wie bei einer Damenhose.

Bis bald,
eure Nina



10 Kommentare:

  1. Wow, die Hose ist ja unglaublich akkurat genäht, sogar mit passendem rotem Garn. Mir gefällt sie total gut, ich habe ja noch keine mit Reißverschluss genäht und habe meinen Respekt davor, dass du einfach mal ohne Anleitung lesen losgenäht hast.... Liebe Grüße, Ina

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    1. Danke dir! Aber ganz stimmt das nicht, ich nicht ganz ohne Anleitung genäht, hab einfach eine andere Anleitung benutzt, die ich schon kannte. Und ganz hats ja auch nicht hingehauen😂

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  2. Rihtig klasse! Sowohl die Passform als auch die Frabe. Das macht doch richtig Spaß, wenn ein Mann nicht nur so grau, graublau und ähnliches tragen möchte!

    Gruß Marion

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  3. Eine sehr schöne Hose! Das Burda-Video ist ja ein toller 80er Nostalgietrip ;) Ich fand es sehr interessant, über deine Anpassungen und Schwierigkeiten zu lesen. Ich finde ja, wenn man vom Schnittmuster abweicht, wird das Nähen erst richtig spannend, weil man so viel tüfteln darf.

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  4. Die Hose sieht Hammer aus, was für eine tolle Farbe und vielen Dank für die genauen Beschreibungen, was genau du machst bzw. wie du vorgehst. Irgendwann werde ich mich auch mal an eine Hose trauen und dann mit Sicherheit deine Hosenbeiträge noch einmal ganz genau studieren. Gruß Anke

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  5. WOW. WOW. WOW. Die Hose sieht super aus. Nicht nur die Farbe ist der Knaller, auch der Schnitt macht jede Menge her. Und dein Beitrag dazu ist spitzenmäßig. Toll, wie du alles haarklein beschrieben hast und wie genau du auch gearbeitet hast. Ich bin sehr begeistert und wage mich vielleicht auch mal an eine Hose...
    Danke fürs Zeigen und den tollen Text dazu!
    Viele Grüße
    Anni

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  6. Hallo Nina,

    die Hose ist wunderschön geworden. Zu den Paspeltaschen gibt's übrigens auf der Seite von Ottobre bei den bebilderten Anleitungen eine zum Thema Paspeltasche für Hosen. Die lassen den Taschenbeutel ebenfalls bis zum Bund hoch laufen, habe ich bei meiner Chino auch so gemacht.

    Liebe Grüße
    Jaqueline

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    1. Danke Jaqueline, das ist ein super Tip, da schau ich direkt mal rein. Vielleicht gibt's da ja auch nen guten Tipp für das absteppen, bzw die Reihenfolge ;)

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  7. Die Hose ist wirklich wunderschön ! Die Farbe, der Schnitt und alle Détails wie die Taschen sind �� Wie gesagt im Instagram, habe ich den Zeitschrift extra für diesen Muster gekauft aber den Stoff dafür noch nicht gefunden und hier gibet es Keine Karstadt wo ich solche Schnäpchen finden kann ��

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  8. Du hast ja an ALLES gedacht :) Großes Kompliment. Auch deine Innenverarbeitung ist beispielgebend. Bin schwer beeindruckt. Eine richtig tolle Hose ist dir gelungen. Sofort habe ich gedacht, wo ist der geile Stoff her, auf Karstadt wäre ich nicht gekommen. Ich hoffe du hast dich ordentlich eingedeckt ;) Hier gibt es kein Karstadt, leider und wenn ich mal bei meiner Tochter im Karstadt schauen gehe, konnte ich bisher auch nichts Umwerfendes finden. Das dein Schatz begeistert ist, kann ich sehr gut verstehen. Ganz liebe Grüße Birgit

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